Ein Gastbeitrag von Rebecca Göngrich (Ginger Jewels)
Mehr über Rebecca und ihre Leidenschaft findet ihr auf ihrer Website: Ginger Jewels
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Gestern bin ich seit Langem mal wieder durch die hiesige Einkaufsstraße geschlendert.
Mein Blick wanderte von Schaufenster zu Schaufenster. Zara zeigt verschiedene Kombinationen in offwhite von Kopf bis Fuß. Ein echter Hingucker! Bei H&M sieht man zurzeit Kleider mit großflächigen Blumenprints und Volants in jeder Länge. Da bekommt man richtig Lust auf Sommer! Ganz beeindruckt war ich auch von den bunten Kleidern bei Kastner und Öhler.
Wendet man den Blick ab von den Schaufensterpuppen in die Straßen zu den echten Menschen, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Jeans, Sneakers T-Shirt, Grau in Grau, Einheitslook.
Die Frage, die sich mir in diesem Moment stellte: Wer trägt diese ganzen schönen Kleider, die in den Schaufenstern präsentiert werden?
Mit dieser Frage im Kopf, fällt mir auch im Inneren der Geschäfte auf, dass es ganz schön viel Auswahl an fancy stuff gibt, den man im Alltag wirklich seltenst an einem Menschen zu Gesicht bekommt. Hippiekleider, Pailettentops, pastellfarbene Zweiteiler.
Eine zweite Frage tut sich in meinem Kopf auf: Wohin verschwinden alle diese Kleidungsstücke, wenn keiner sie trägt?
Ein samstäglicher Einkaufsbummel in der Stadt. Man braucht eigentlich nichts Bestimmtes. Einfach mal gucken gehen, was es so Neues gibt. Wow, dieses Kleid ist der Hammer! Ich will ja eh abnehmen und wenn ich im Sommer dann zu einer schicken Gartenparty eingeladen werde, werde ich das anziehen. So wanderte das Kleid in die Einkaufstasche, weiter in den Schrank und sollte das Tageslicht erst wieder beim Frühjahrsputz 2027 erblicken. Mit der Erkenntnis, dass die Kilos geblieben sind und die Einladung zur schicken Gartenparty nie kam. Ein klassischer Fehlkauf.
Ich weiß nicht mehr in welchem Buch genau ich diesen Satz gelesen habe, es ist schon einige Jahre her. Jedenfalls ist er mir im Gedächtnis geblieben und hat mir, was das Thema Fehlkäufe angeht, regelrecht die Augen geöffnet. „Kaufe Kleidung für die Person, die du bist und nicht für die, die du gerne wärst.“ Simples Beispiel: Wenn du Handwerker von Beruf bist, wirst du nicht unzählige Anzüge in deinem Schrank brauchen. Als Bankangestellter schaut das schon anders aus. Und wenn man üblicherweise zu gemütlichen Grillereien zu Freunden geht, braucht man auch keine große Auswahl an Kleidern für schicke Cocktailpartys.
Das Ganze kann man aber auch noch auf einer anderen Ebene betrachten.
„Kaufe Kleidung für die Person, die du bist.“ Hmm.. ja wer bin ich denn eigentlich?
In Bezug auf die Kleidung heißt das: Was steht mir wirklich? Worin fühle ich mich besonders wohl? Was gefällt mir wirklich? Was möchte ich mit meiner Kleidung ausdrücken?
Das sind Fragen, mit denen man sich eigentlich nie explizit beschäftigt. Und was dabei herauskommt, sind auf der einen Seite Fehlkäufe und auf der anderen Seite grauer Einheitslook.
Früher sah es in meinem Kleiderschrank sehr dunkel aus. Schwarz war meine „Lieblingsfarbe“. Denn damit kann man nicht viel falsch machen, auch wenn man rote Haare hat. Dachte ich.
Mir haben Brauntöne schon immer gut gefallen, aber ich war mir nicht sicher, ob das nicht zu eintönig mit den roten Haaren ist.
Und den Stil der 70er fand ich schon immer besonders cool. Aber für solche Kleider war ich angeblich immer zu dick.
An meinem Gewicht hat sich seitdem nichts geändert, an meiner Garderobe schon.
Angefangen hat alles mit meinen lieben Arbeitskolleginnen.
Ich hatte mich schon lange gefragt, wie sie es schafften jeden Tag so gut auszusehen und regelrecht zu strahlen.
Nach einiger Zeit habe ich ihr Geheimnis erfahren: Farbberatung.
Kurzum habe ich einen Termin mit Alex ausgemacht, auf den ich wie auf glühenden Kohlen hin gefiebert habe.
Endlich in ihrem Studio, hat es eigentlich gar nicht lange gedauert, bis wir herausgefunden haben, dass ich ein Herbsttyp bin. Es war sehr eindeutig.
Hell erleuchtet durch das weiße Licht und mit einem herbst-blauen Tuch um den Hals hatte ich tatsächlich ein bisschen Pipi in den Augen. So krass, wie gut ich mit diesem Blau auch ungeschminkt aussah.
Schwarz war übrigens die allerschlimmste Farbe für mich. Blass, rot, traurig.
In einem weiteren Termin habe ich mir mit Alex zusammen angeschaut, welche Schnitte, Muster usw. mir stehen. Zu meinem Faible für den Boho-Stil stellte sie mir eine Frage: „Und warum trägst du es nicht?“ Weil ich zu dick bin, weil es zu übertrieben wäre, weil ich auffallen würde…
Zu Punkt 1: Bei genauem Hinsehen, schmeicheln Kleider meiner Figur viel besser, als Jeans und T-Shirt.
Zu Punkt 2: Wenn man sich verkleidet, ist es übertrieben. Wenn man Kleidung wählt, die einem wirklich gefällt und die zu einem passt, fügt sich alles in ein harmonisches Gesamtbild, das nicht übertrieben erscheinen kann.
Zu Punkt 3: Was ist so schlimm daran, aufzufallen? Wenn man positiv auffällt ist das doch supi!
Die Argumente waren entkräftet. Von nun an hatte ich die „Erlaubnis“, meinem Stil zu folgen.
Lustig ist, dass mir intuitiv die Sachen gefallen haben, die auch bei einem genauen Hinschauen in der Farb- und Stilberatung genau mein Ding sind.
Ich kann mittlerweile sagen, dass ich mich mit meinen Boho-Kleidern in Herbstfarben rundum wohlfühle und mich jeden Tag darauf freue, einen Kleiderschrank voller Lieblingsteile zu öffnen.
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