Das Sammeln von Kleiderschrankleichen
Wie kommt es, dass Kleidung in unseren Schränken ist, die wir nie tragen?
Zum Beispiel, wenn man meint, es sei wieder an der Zeit für eine kleine Einkaufstour, weil man von der eigenen Kleidung schon gelangweilt und auf der Suche nach einem belebenden Kick ist.
Man hat sich fest vorgenommen, endlich mal aus seinem immer gleichen Look auszubrechen, der Langeweile ein Schnippchen zu schlagen, mal ein bisschen Pfiff und Style in seine Garderobe zu bringen. Ganz nach dem Motto: not more of the same!
Die Stimmung im Laden ist gut, es läuft angenehme Musik, die Verkäuferinnen motivieren aus einem angenehmen Abstand mit einem Lächeln und ermunternden Blicken. Sie sind gut gekleidet.
Man selbst weiß, was man will .. noch!
Irgendwann hat es einen erwischt: dieses Unvermeidbare und Unüberhörbare: "Kann ich ihnen helfen? Es kommt aus dem Nichts, möchte man meinen. Suchen Sie etwas Bestimmtes?" - Klack - die Fänge der Verkäuferin halten einen umschlungen. Außer ein knappes, bestimmtes "Nein" stoppt an dieser Stelle nichts mehr den Lauf der Dinge oder des Einkaufs.
Kurz darauf steht man mit geschickt gewählten Must-haves in der Garderobe und lässt sich hinreißen, sich neu definieren zu lassen. Warum nicht mal etwas ganz Anderes probieren? "Ja, ein bisschen Mut gehört schon dazu, aber gerade sie können sich das leisten mit ... " hier wird geschickt ein passendes Kompliment eingestreut.
Warum zum Beispiel nicht mal Rüschen - die sind gerade so angesagt - jeder trägt sie - ja, warum eigentlich nicht? Das Ziel war es ja, mal etwas Anderes zu kaufen! Alle Bedenken und Zweifel werden durch anerkennende Blicke und aufmunternde Worte und vielleicht dem einen oder anderen Schluck Prosecco gekonnt ausgeräumt - die Frau muss es ja wissen, sie hat Erfahrung. Wer, wenn nicht sie!
Ok, gewonnen!
Total trunken mit meinem neuen total hippen gerüschten Kleid und weiteren "darf-in-keiner-Garderobe-fehlen- Stücken" zurück auf der Straße, bemühe mich beschwingt nach Hause.
Noch die Stimme der überaus charmanten Verkäuferin im Ohr, meldet sich da eine weitere Stimme in meinem Kopf mit "bist du sicher?", "kann ich das tragen?" oder ähnlichem.
"Raus aus der Komfortzone" das ist die Devise der Stunde - oft gehört, bisher noch nie gewagt, aber egal - alles gut! Ob sich diese Aufforderung bewahrheitet, kann man später an den Leichen im Kleiderschrank abzählen.
Tja... so kommen die Kleidungsstücke in den Schrank.
Und dann geht es los....
mit den täglichen Ausreden:
- heute ist nicht das richtige Wetter dafür
- ich bin gerade nicht in der Stimmung
- die anderen tragen auch alle Jeans - ich will nicht auffallen
- dafür muss ich erst zum Frisör
- viel zu schön für die Arbeit
- das ist heute unpraktisch / unbequem
- dazu braucht man andere Schuhe, die ich nicht habe
- da brauche ich noch etwas Passendes dazu
...
Mit jeder Ausrede verschwinden diese Teile tiefer im Kleiderschrank, bis sie aus dem Blickfeld sind.
Nüchtern betrachtet und nach ausreichend Rechtfertigungen vor sich selbst, warum das gerade heute nicht passt, muss man sich eingestehen, dass das ein klassischer Fehlkauf war. Der Blick der besten Freundin hat es schon anfangs verraten.
"Das passt sicher einer anderen Frau viel besser- ich bin einfach nicht der Rüschentyp."
Besser, man löst sich früher als später davon, um sich die Fehlkäufe nicht permanent vor Augen zu führen (auch wenn sie ganz hinten verborgen sind, weiss man selbst, dass sie da sind) und die damit verbundenen Urteile über sich selbst. Das ist leider das, was hängen bleibt & die Verunsicherung verstärkt.
Es ist eine Wohltat & Erleichterung, sich von seinen Schrankleichen zu befreien und beim Blick in der Kleiderschrank nicht Frust, sondern Freude zu empfinden. It´s up to you!
Kommentar schreiben